Andreas Lutherer begann seine künstlerische Laufbahn zum Ende der 80er Jahre. Schon früh suchte er nach einem Medium des künstlerischen Ausdrucks, das er schließlich in der Fotografie fand.

Wenn die ersten Fotografien der frühen Jahre noch allein durch das Motiv und seine Inszenierung bestimmt waren, so trat dieses schließlich in den Hintergrund und die Inszenierung wurde zum Selbstzweck. Die Auswahl der Motive und der Blickwinkel, in dem sie abgelichtet wurden, wurde bestimmt von den Strukturen, die den Motiven zugrunde lagen und wie sie sich auf dem fertigen Foto durch Standort des Fotografen, Objektivwahl und fotografisches Handwerk in Strukturen festhalten lassen konnten. Auf seinen Reisen durch Amerika, Australien, Afrika und Europa erarbeitete und festigte er sein Konzept der Landschaftsdarstellung.

Besonders faszinierte ihn die Poesie, die in den scheinbar starren Strukturen von Industriestandorten verborgen ist. Einen reichhaltigen Fundus für seine Fotografien entdeckte der am Niederrhein lebende Künstler in den zum Teil brachliegenden Industrielandschaften des Ruhrgebietes. Hier konnte er sein Konzept zur Reduktion des Motivs auf seinen Aufbau, d.h. die Loslösung des Motivs vom Inhalt in idealer Weise ausarbeiten.

Zur Verwirklichung seiner Ideen reicht ihm die herkömmliche Fotografie schließlich nicht mehr aus und er wendete sich zum Ende der 90er Jahre verstärkt der Malerei zu, um die lyrische Komponente, die auch in starren Strukturen und Formen enthalten ist, darzustellen.

Aus dieser Zeit stammen die ersten Glasarbeiten Lutherers. Es handelt sich um eine Hinterglasmalerei in der "Landschaft" reduziert wird auf ein Rasterfeld, das aus geometrischen Grundformen besteht. Dieses starre Feld wird durch die Art der Kolorierung wieder in die Nähe von "Landschaft" gerückt. Es handelt sich um fiktive Räume, die erst ca. 10 Jahre später wieder einen direkten Bezug zur Gegenständlichkeit bekommen. In mit Fotografien kombinierten Bildern, wie "Sydney 93" oder "Nürnberg 2005" arbeitet Lutherer seine Strukturierung von "Landschaft" an vorhandenen, nahezu naturalistisch belassenen Fotografien aus.

Jede der Glasarbeiten ist in einen Objektkasten eingesetzt, so dass sich auf der Rückwand, bei entsprechender Beleuchtung, ein Schattenwurf abzeichnet. Verändert der Betrachter seinen Blickwinkel zum Objekt, so verschieben sich vordere Bildebene und hintere Schattenebene in der Horizontalen und das Bild gerät in eine waagerechte Bewegung. Hier entsteht zum ersten Mal das stilbildende Element der horizontalen Verstreifung, das sich in allen weiteren Arbeiten von Lutherer wiederfindet.

Zu den Glasarbeiten kommen kurze Zeit später die Bilder auf Holz und Leinwand. Auch bei diesen Werken geht es um fiktive Landschaften, die durch eine starre Struktur gebildet werden und allein durch die Kolorierung die Assoziation mit einer Landschaft hervorrufen. Es gibt in diesem Werkbereich insgesamt vier Motivgruppen, die sich herauskristallisieren lassen. Es entstehen Bilder in einer streifigen Unterteilung, in einer Anordnung in Farbblöcken, einer röhrenförmig ineinander greifenden Grundstruktur und schließlich in einer parkettartigen Verschachtelung. Letztere auch in einem aufgebrochenen und scheinbar willkürlichen System.

Die einzelnen Struktursegmente werden jeweils in einer horizontalen Ausführung mit changierenden Farben aufgefüllt und wecken in Ihrer Gesamtheit im Betrachter die Assoziation mit Landschaften. In Bildern wie 03-015 fühlt sich der Betrachter an Abendstimmungen erinnert oder assoziiert australische Weiten. Arbeiten wie 03-002 erscheinen als kaleidoskopische Aufbrechungen von lichtdurchfluteten Waldszenarien. Lutherer verweigert dem Betrachter Interpretationshilfen in Form einer Titulierung. Wenn die Glasarbeiten noch gänzlich ohne Titel auskommen mussten, so tragen die malerischen Arbeiten ausschließlich eine Werknummer und das Entstehungsdatum.

Schließlich findet Lutherer seinen Weg zurück zur Fotografie, deren Ausdrucksmöglichkeiten ihn auch in der Zeit der überwiegenden Malerei weiterhin faszinierten. Er überarbeitet und verarbeitet seine Fotografien, bis diese, wie seine Malerei, nur noch aus Farbe und Struktur bestehen. Die ersten Fotografien in dieser Ausrichtung werden 2002 in zwei Zyklen veröffentlich. "Hommage an Anna Blume" ein Portfolio mit 7 Fotoprints und 12 Fotoprints unter dem programmatischen Titel "Farbe und Struktur".

Im Jahr 2003 erscheinen die ersten Fotografien aus der "großen Installation’" die als Diasec® gefertigt werden. "Die große Installation" ist ein Projekt angelegt auf 120 Fotografien im Format von 30cm x 30cm, die bis zum Jahr 2010 vollständig erschienen sein sollen. In ihrer Gesamtheit ausgestellt in 8 horizontalen Reihen mit je 15 Arbeiten, greift die G.I. thematisch die geometrische Anordnung eines Rasterfeldes auf, die wir schon von den Glasarbeiten kennen. Jede Fotografie ist eine eigenständige künstlerische Arbeit, die nach der endgültigen Fertigstellung in Verbindung mit den anderen 119 Fotografien ein abstraktes Gesamtbild von ca. 3m x 6 m ergeben, gehangen mit je 10cm Abstand zum nächsten Bild.

In Fotoarbeiten, wie z.B. "Motu" oder "Utah", setzt Lutherer mehrere Fotografien zusammen, die auf einem Fotopapier abgezogen, eine Farbkomposition ergeben, die sich von den einzelnen Segmenten gelöst hat. Wie in der malerischen Umsetzung der Streifenbilder wird die Wirkung der Bilder auf den Betrachter und deren Interpretation ausschließlich durch Farbgebung und deren Strukturierung erzielt. Wichtig ist Lutherer, dass in den Fotoarbeiten, die in den darauffolgenden Jahren entstehen, keine Landschaftsmerkmale mehr enthalten sind. Allein durch eine horizontale Strukturierung des Bildes und einer entsprechenden Farbgestaltung sollen mit Fotoarbeiten wie "Salleccia" oder "Katama Bay" traditionelle Landschaften assoziiert werden. Allein die Titel der jeweiligen Arbeiten lässt einen Rückschluss auf eine Landschaftsfotografie zu und bezeichnet lediglich den Entstehungsort der zugrunde liegenden Fotografie

Erst in 2005 entstehen mit "den Badenden" und "Sydney" wieder gegenständliche Fotografien, die zwar verfremdet sind, jedoch ein erkennbar gegenständliches Sujet haben.

Um reine Strukturen und deren farbliche Auflösung, die keine Assoziationen mit Landschaften mehr zulassen, geht es in Arbeiten wie "Katia" aus dem Jahr 2003 oder der Serie "SP1" – "SP4", entstanden 2005. Der Betrachter fühlt sich gefordert, in den strukturierten Farbverläufen Bekanntes zu entdecken. Die Beziehung zu malerischen Arbeiten wie 01-014 oder 05-001 ist offensichtlich. Dem Betrachter erscheint ein Motiv durch ein Kaleidoskop fotografiert, zumindest aber in der Grundstruktur schemenhaft verborgen zu sein. Oder er versucht hinter den vordergründigen horizontalen Verläufen von "Do-Bi" und "Aruu" ein Motiv in den im Hintergrund gelegenen Farbschleiern auszumachen.

In der Beziehung, die die Bilder Luthereres zum Betrachter aufbauen, in deren Unergründlichkeit und intensiven Farbigkeit liegt die Faszination der Bilder Lutherers.